
Bayern-Abwehrspieler Mazraoui: »Gott, hilf unseren unterdrückten Brüdern in Palästina«
Foto: Ulmer / Teamfoto / IAMGOWas hat der Fußball mit dem Krieg im Nahen Osten zu tun?
Es ist in den vergangenen Jahren üblich gewesen, dass sich große gesellschaftliche Konflikte auch in die Sportsphäre verlagern. Das war vor allem bei Weltmeisterschaften und Europameisterschaften oder Olympischen Spielen deutlich sichtbar, als Themen wie LGBT-Rechte (in Katar, in Ungarn) aber auch die Situation der Uiguren (in China) sowie Meinungsfreiheit (in Russland) am Rande von Sportereignissen thematisiert wurden. Besonders deutlich wurde es nach dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022, als danach zahlreiche Verbände russische Athleten und Athletinnen von ihren Events ausschlossen. Kein Wunder also, dass der Krieg im Nahen Osten auch im Profifußball ein Thema ist. Wie groß, ist noch unklar. Eventuell wird es am kommenden Spieltag zu sehen sein – in Reaktionen der Fans auf den Rängen oder Solidaritätsbekundungen von Spielern.
Wie reagiert die DFL?
Die Deutsche Fußball Liga (DFL) hatte sich bereits kurz nach dem Massaker der Terrororganisation Hamas in Israel an die Seite des Landes gestellt. »In Gedanken sind wir bei den Menschen vor Ort, den Opfern und ihren Angehörigen«, hatte die DFL mitgeteilt. Für den kommenden Spieltag in der Bundesliga und der Zweiten Bundesliga hat die Liga nun eine Gedenkminute empfohlen, »um nach den verheerenden Geschehnissen in Israel der Opfer zu gedenken«. Dies geschieht in Abstimmung mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB), der ein ähnliches Vorgehen in der 3. Liga sowie in der Frauen-Bundesliga plant. »Damit möchten DFL und DFB ein gemeinsames Zeichen des deutschen Fußballs für den Frieden setzen«, heißt es.
Die DFL empfiehlt für die Begegnungen der Bundesliga und 2. Bundesliga des nächsten Spieltags (20.-22. Oktober) eine Gedenkminute, um nach den verheerenden Geschehnissen in Israel der Opfer zu gedenken. pic.twitter.com/Ki6PAaaUdn
— DFL Deutsche Fußball Liga (@DFL_Official) October 16, 2023
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Zudem soll die DFL die 36 Profiklubs vor möglichen antisemitischen Protestaktionen gewarnt haben. In einem Schreiben, das der »Bild«-Zeitung vorliegen soll, hat die DFL angeblich eine Übersicht des Bundeskriminalamts mit Logos, verbotenen Fahnen mit antisemitischen Symbolen sowie Zeichen und Organisationen an die Vereine geschickt.
Das Zeigen von Fahnen und Symbolen der Hamas ist strafbar, da die Hamas in die EU-Terrorliste aufgenommen wurde. Ebenfalls verboten sind Kennzeichen der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah, die ebenfalls gegen Israel kämpft. In Verdachtsfällen von Verstößen gegen die Verbote sollen die gastgebenden Vereine laut DFL das Vorgehen mit der Polizei abstimmen.
Was sagt die Fifa?
Gianni Infantino, Präsident des Fußball-Weltverbandes Fifa, schrieb in einem offenen Brief: »Es ist ebenso herzzerreißend wie schockierend zu sehen, dass eine Region, deren Menschen schon viel zu lange so tiefes Leid erfahren haben, noch mehr leiden muss«. Die Fußballwelt stehe »absolut solidarisch zu den Menschen in Israel und Palästina und all den unschuldigen Opfern, die einen unsäglichen Preis zahlen mussten«. Er sprach den Fußballverbänden Israels und Palästinas »angesichts der schrecklichen Gewalttaten der letzten Tage im Namen der Fifa und der gesamten internationalen Fußballgemeinschaft tiefstes Beileid« aus.
Die Fifa schließe sich dem Aufruf zur sofortigen Beendigung der Kampfhandlungen und zur sofortigen Linderung des Leids der Menschen in Israel und Palästina an. »Natürlich wissen wir, dass der Fußball die Probleme der Welt nicht lösen kann, aber er kann einen kleinen Beitrag dazu leisten, ein Licht der Hoffnung dorthin zu bringen, wo nur Dunkelheit zu herrschen scheint«, schrieb Infantino.
Welche strittigen Solidaritätsbekundungen gab es von den Spielern?
Die zwei prominentesten Fälle betreffen den FC Bayern und Mainz 05. Der Münchner Abwehrspieler Noussair Mazraoui, marokkanischer Nationalspieler, hatte in sozialen Netzwerken ein Video geteilt, in dem den Palästinensern der Sieg gewünscht wird . Konkret hieß es darin: »Gott, hilf unseren unterdrückten Brüdern in Palästina, damit sie den Sieg erringen. Möge Gott den Toten Gnade schenken, möge Gott ihre Verwundeten heilen.«
Der Zentralrat der Juden bewertete den Post als »unsägliche Entgleisung«. Zwar habe man zur Kenntnis genommen, dass sich Mazraoui anschließend von jeglichen Terrororganisationen distanziert habe. Aber: »Leider lässt Mazraoui weiterhin die klare Verurteilung der Hamas-Barbarei vermissen.« Der FC Bayern hat nach Informationen der »Bild«-Zeitung mittlerweile ein Gespräch mit Mazraoui geführt. Ob der Verein jedoch Konsequenzen ziehen wird, ist noch nicht bekannt.
Anders reagierte Mainz 05. Der Bundesligist suspendierte seinen Spieler Anwar El Ghazi auf unbestimmte Zeit vom Trainings- und Spielbetrieb. Der Niederländer El Ghazi, dessen Eltern aus Marokko stammen, hatte einen Beitrag geteilt, in dem es unter anderem hieß: »Vom Fluss bis zum Meer, Palästina wird frei sein.« Eine klare Negierung des Existenzrechts Israels, sagen Experten . Mainz 05 erklärte daraufhin, dass es ein ausführliches Gespräch zwischen Vorstand und Spieler gegeben habe. Für den Verein sei das Posting »nicht tolerierbar« gewesen. »Mainz 05 respektiert, dass es unterschiedliche Perspektiven auf den seit Jahrzehnten währenden komplexen Nahostkonflikt gibt. Der Verein distanziert sich jedoch von den Inhalten des Posts, da dieser nicht mit den Werten unseres Vereins einhergeht«, hieß es.

Anwar El Ghazi
Foto: Revierfoto / IMAGOWelche Handhabungen haben die Vereine?
Ob Posts in sozialen Netzwerken Maßnahmen wie eine fristlose Kündigung nach sich ziehen können, ist eine Frage für Juristen.
Im Arbeitsrecht kommt es meist auf den Einzelfall an. Das Recht auf freie Meinungsäußerung gilt auch für Arbeitnehmer, sagen Experten dem SWR . Allerdings können öffentliche Aussagen, die den Betriebsfrieden stören oder gar eine »Billigung von Straftaten« sind, demnach durchaus zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen. Es ist also eine Frage für die Gerichte, in welche Kategorie strittige Posts fallen – und ob sie Freistellungen, Abmahnungen oder eine Kündigung rechtfertigen. »Grundsätzlich ist alles in Ordnung, was legal ist, etwa eine politische Partei in der Öffentlichkeit zu unterstützen. Entscheidend sind die Interessen des Unternehmens. Wenn das Ganze ein miserables Licht auf den Arbeitgeber wirft, darf der auch handeln«, sagt Rechtsanwalt Alexander Birkhahn dem SPIEGEL. Und der Mannheimer Jura-Professor Ingo Bott sagt dem »Kicker«: »Je nachdem, welche Art von Solidarität womit zum Ausdruck gebracht wird, kann daher im Einzelfall strafrechtlich relevante Hatespeech im Raum stehen.«
»Die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit ist insbesondere dann begrenzt, wenn Straftaten wie Beleidigung oder Volksverhetzung begangen werden«, sagte Ulf Baranowsky, Geschäftsführer der Spielergewerkschaft VDV: »Inwieweit strafrechtliche Verstöße vorliegen und arbeitsrechtliche Sanktionen rechtskonform sind, ist im Einzelfall zu beurteilen.« Klar sei aber: »Insbesondere bei kriegerischen Auseinandersetzungen sollten Personen des öffentlichen Lebens ihrer Vorbildfunktion gerecht werden«, sagte Baranowsky: »Ziel muss es sein, zu deeskalieren und dauerhaften Frieden zu schaffen.« Baranowsky nimmt dabei aber auch die Vereine in die Pflicht. »Wichtig ist auch die Prävention«, sagte er: »Gerade im Sport gilt es, junge Menschen frühzeitig zu sensibilisieren und bei Problemen das Gespräch zu suchen.«
Was ist in anderen Ländern los?
International haben sich prominente Spieler zu dem Konflikt geäußert. Karim Benzema, langjähriger Star von Real Madrid, der mittlerweile in Saudi-Arabien spielt, schrieb auf X (früher Twitter): »All unsere Gebete für die Einwohner von Gaza, die einmal mehr zum Opfer ungerechter Bombardierungen werden, bei denen weder Frauen noch Kinder verschont werden.« Frankreichs Innenminister warf ihm daraufhin Kontakte zur Muslimbruderschaft vor .
Toutes nos prières pour les habitants de Gaza victimes une fois de plus de ces bombardements injustes qui n’épargnent ni femmes ni enfants.
— Karim Benzema (@Benzema) October 15, 2023
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Der frühere deutsche Nationalspieler Mesut Özil schrieb : »Beten für die Menschheit. Für den Frieden beten. Unschuldige Menschen und insbesondere unschuldige Kinder verlieren im Krieg ihr Leben – auf beiden Seiten. Es ist so herzzerreißend und traurig. Bitte stoppt den Krieg!!!« Auf dem Bild ist in einer Fotomontage Özil in einem Shirt abgebildet, auf dem die türkische und palästinensische Flagge ineinander gehen und der Schriftzug »Özgür Filistin« (Freies Palästina) zu sehen ist. Zudem zeigt ein Kind in einem Özil-Shirt mit der Nummer 23 einem bewaffneten Mann – mutmaßlich einem israelischen Soldaten – die Rote Karte. Am unteren Bildrand steht der Hashtag »#freepalestine«.
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Liverpool-Angreifer Mohammed Salah, Nationalspieler Ägyptens und größter Fußballstar der arabischen Welt, rief mit einer Videobotschaft zu humanitärer Hilfe im Gazastreifen auf. »Jedes Leben ist heilig und muss geschützt werden. Die Massaker müssen aufhören. Familien werden auseinandergerissen. Was jetzt klar ist, ist, dass humanitäre Hilfe in Gaza unverzüglich erlaubt werden muss. Die Menschen dort sind in furchtbarem Zustand«.
Die Gewalt und Eskalation der vergangenen Wochen zu sehen sei »unerträglich«, sagte Salah. »Ich rufe die Anführer dieser Welt dazu auf, zusammenzukommen und das weitere Abschlachten von unschuldigen Seelen zu verhindern. Humanität muss sich durchsetzen.«
— Mohamed Salah (@MoSalah) October 18, 2023
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Die Premier League will bei Spielen der ersten englischen Fußballliga israelische und palästinensische Flaggen ab dem kommenden Wochenende verbieten. Das berichtete die Nachrichtenagentur PA am Mittwochabend. Sowohl die Flagge mit dem Davidstern als auch die Flagge Palästinas dürfen die Fans demnach nicht in die Stadien tragen. So soll verhindert werden, dass Anhänger einer der beiden Seiten ihre Proteste in den Stadien der höchsten englischen Spielklasse zum Ausdruck bringen.
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