
Florian Wirtz im Duell mit den Dortmundern Giovanni Reyna (l.) und Jude Bellingham
Foto: Lars Baron / Getty ImagesEs dauert noch gut drei Monate, bis Florian Wirtz 18 Jahre alt wird. Als das Spiel zwischen Bayer Leverkusen und Borussia Dortmund abgepfiffen wurde, war er trotzdem nur der zweitjüngste Spieler auf dem Rasen. Youssoufa Moukoko, 16 Jahre und zwei Monate alt, war nämlich beim BVB eingewechselt worden, und für Jude Bellingham, der auch noch knapp zwei Monate jünger ist als Wirtz. Bei einer weiteren Auswechslung brachte Dortmunds Trainer Edin Terzić den 18 Jahre alten Giovanni Reyna für den 20 Jahre alten Jadon Sancho, der genau wie der gleichaltrige Erling Haaland enttäuscht hatte.
Der BVB ist ein Sammelbecken für einige der größten Fußballtalente Europas. Sie schlichen am Dienstag nach der 1:2-Niederlage aber genauso enttäuscht vom Platz wie die erfahrenen Mats Hummels und Thomas Meunier, die das entscheidende Tor des Abends zu wesentlichen Teilen verschuldet hatten. »Es gibt nichts Schöneres, als ein Tor zu schießen, das meinem Team zum Sieg verhilft«, schrieb Florian Wirtz später bei Instagram, denn er hatte die Fehler ausgenutzt.

Siegtor: Florian Wirtz (r.) bezwingt BVB-Keeper Roman Bürki
Raum erkannt, Sprint angezogen, Spannschuss aus 16 Metern, 2:1, Matchwinner. Peter Bosz war froh, dass die zwischenzeitliche Idee eine Idee blieb. In Dortmunds starker Phase, um den 1:1-Ausgleich von Julian Brandt in der 67. Minute herum, »haben wir überlegt, ihn rauszunehmen«. Wirtz' Laufleistung habe abgenommen, so der niederländische Trainer, der dann aber eine deutsche Redewendung gelernt und vorgeführt bekommen habe. »Die zweite Luft heißt das«, so Bosz.
Wirtz wurde mit der zweiten Luft zum Leverkusener Spieler mit der besten Laufleistung – 12,60 Kilometer. Mehr lief nur Thomas Delaney, auch deshalb, weil er von Wirtz weglaufen wollte. Bosz hatte seiner Mannschaft verordnet, den Spielaufbau des BVB durch eine enge Deckung zu stören, und dabei fand sich häufig das Pärchen Delaney/Wirtz.
»Er hat 90 Minuten durchgespielt, das haben wir nicht erwartet«, staunte der Trainer über seinen Jüngsten, der in den beiden Spielen zuvor, aus denen die Leverkusener nur einen Punkt holten, gefehlt hatte. »Er hat einige Wochen nicht gespielt und fast nicht trainiert. Dann macht er sofort ein Topspiel«, staunte Bosz noch mal und wirkte beinahe ein bisschen froh, dass er belegen konnte, dass Florian Wirtz »natürlich noch einiges lernen muss«. Vor dem Tor des BVB verlor Wirtz leichtfertig den Ball. Er hatte ein riskantes Zuspiel versucht, wie es ohnehin seine Art ist, mutig zu spielen. Lieber zwei Schlüsselpässe pro Spiel als eine Passquote von weit über 90 Prozent.
Fünf Vorlagen sind es schon in dieser Saison, dazu jetzt drei Tore. Auf der anderen Seite des Rheins ballen sie immer noch die Fäuste in der Tasche, dass die Leverkusener ihnen vor knapp einem Jahr das Riesentalent wegschnappten. Zehn Jahre war Wirtz beim 1. FC Köln ausgebildet worden, dann wechselte er über den Fluss und zeigt dort, dass er schon weit genug ist, um auch einer Spitzenmannschaft in der Bundesliga zu helfen. Dass kaum mal der Name von Kai Havertz fällt, der im vergangenen Sommer von Leverkusen zum FC Chelsea wechselte, ist vor allem ein Verdienst von Wirtz.
»Er spielt frisch, lebendig, unbekümmert«
Peter Bosz hält Florian Wirtz sogar schon für so weit, dass der auch Bundestrainer Joachim Löw bei der Europameisterschaft helfen könnte, die weiterhin für den Sommer geplant ist: »Diese Qualitäten hat er.«
Florian Wirtz ist einer, der sich zeigt, der den Ball auch bei sehr wenig Zeit und Raum haben will und ihn dann behauptet oder schnell weiterleitet. So hat er das auch gegen Borussia Dortmund getan. In der Defensive einen Gegner nach Plan kaltgestellt, in der Offensive Angriffe beschleunigt, drei Torschüsse abgegeben und einen Treffer erzielt.
»Der Junge kann mit dem Ball umgehen. Er spielt frisch, lebendig, unbekümmert«, sagte Lars Bender über seinen jungen Mannschaftskollegen, Torwart Lukas Hradecky behauptete gar: »Momentan ist er eine tragende Figur, er hilft der Mannschaft mit seiner Präsenz.«
Dortmunds Trainer Terzić sagte nach dem Spiel, dass »Qualität das Ergebnis von Talent und Einstellung« sei. Dabei schwang der Vorwurf mit, dass sich manch einer seiner Profis in der ersten Halbzeit nur auf das Talent verlassen habe. Florian Wirtz brachte beides ein, dank der zweiten Luft sogar über 90 Minuten.
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