Es hat sich viel verändert im Fußball, vor allem der Soundtrack. Was man hört in diesen entvölkerten Stadien, sind aufgeregte Männerstimmen und sonst nur das Brummen der Generatoren. Es wird viel Strom verbraucht in den in riesige Fernsehstudios verwandelten Stadien, also brummt es unentwegt. Aber vielleicht waren es am Samstag ja gar keine Motoren, die da brummten, sondern doch das gut geschmierte Laufwerk des FC Bayern. Früher hat man die Münchner Fußballer ja gerne mit einer Maschine verglichen, die zuverlässig immer dasselbe macht, mit hoher Präzision und immun gegen menschliche Schwächen. Im Bremer Weserstadion sind sie mal wieder genauso aufgetreten, nahezu fehlerlos und unbarmherzig und auf fast schon beängstigende Weise überlegen. Mensch gegen Maschine, Werder gegen Bayern, 1:3. Und das klingt dann auch viel knapper, als es war.
Gewöhnliche Mannschaften haben schon genug damit zu tun, den Gegner aus dem eigenen Strafraum herauszuhalten; den Münchnern gelang es, die Bremer gleich ganz aus der eigenen Hälfte auszusperren. Das lag allerdings auch daran, dass Werder gar nicht unbedingt dorthin wollte, stattdessen standen sie, dem Muster der vergangenen Spiele folgend, so tief wie Tiefseetaucher tauchen. Seine Mannschaft fühle sich sicher, wenn das Spiel auf sie zukomme, hatte der Bremer Trainer Florian Kohfeldt gesagt, was aber gegen die Bayern noch lange nicht heißt, dass sie auch sicher ist.
Die deutlich in Mutlosigkeit lappende Vorsicht der Gastgeber nutzten die Bayern, sich unter den schweren Wolken eines typischen norddeutschen Nachmittags ganz gemächlich warm zu spielen. Und bevor Werder überhaupt versuchen konnte, irgendetwas an der eigenen zögerlichen Spielweise zu ändern, hatten sie die Partie schon verloren. Einen "mehr als verdienten Sieg" nahm Bayern-Trainer Hansi Flick später zur Kenntnis. "Es war eine verdiente Niederlage gegen einen sehr starken, von der ersten Minute an sehr konzentrierten Gegner", stimmte Kohfeldt dem Kollegen zu.
268 Tore: Lewandowski holt Klaus Fischer ein
"Wir hatten die Aufgabe, hier zu gewinnen, das haben wir gemacht", sagte Thomas Müller, der zwei Tore vorbereitete, nach einem Spiel, das unter der Abwesenheit jeglicher Spannung allein von der konzentrierten Leistung des FC Bayern lebte. Leon Goretzka im Anschluss an einen Eckball (23. Minute), Serge Gnabry (35.) und Robert Lewandowski schossen die Tore zu einem in keiner Sekunde gefährdeten Sieg.
Vor allem der Pole braucht ja jeden Treffer, um den 49 Jahre alten Gerd-Müller-Rekord zu brechen, 40 Tore in einer Saison. Lewandowski schien vor seinem Abstaubertor in der 67. Minute schon zu verzweifeln. Gleich nach dem Anpfiff hatte er Topraks Finger ins Auge bekommen, dann schoss er Latte, Pfosten und ein paar Mal Werders Torwart Jiri Pavlenka an. Jede einzelne Szene wäre für ein Tor gut gewesen. In der Pause wechselte er das Schuhwerk, nichts lässt er unversucht beim Versuch, sich einen unauslöschlichen Platz in den Bundesliga-Annalen zu sichern.
Lewandowski hat jetzt 268 Mal getroffen, so oft wie Klaus Fischer. Der erfolgreichste ausländische Angreifer ist er schon lange (vor Claudio Pizarro). So wird Geschichte gemacht. In Bremen traf er später sogar noch ein drittes Mal die Latte. "Es hätte in der zweiten Halbzeit auch noch höher ausfallen können", sagte Flick, der ansonsten nur loben konnte: Konzentration, Pressing, Seriosität im Auftritt, Positionierung auf dem Platz. Besonders freute er sich über die Führung nach einer von Kimmich geschlagenen und von Müller verlängerten Ecke. Seine Assistenten Miroslav Klose, eine Bremer Legende, und Toni Tapalovic hätten sich da "etwas besonderes ausgedacht", auch Werder-Coach Kohfeldt fand den Standard "stark". Was man halt so erzählt, wenn das einseitige Spiel keine andere Geschichte zu bieten hat.
Neuer hätte offensichtlich gern mal zu Null gespielt
29 Pflichtspiele haben die Bremer nun schon gegen die Bayern nicht mehr gewonnen, es dürfte europaweit eine der längsten Durststrecken eines Vereins gegen eine andere Mannschaft sein. Anders als beim 1:1 im Hinspiel fand Werder nie die Ideen und die Mittel, die Münchner Mitte zu überspielen, der einzige gefährliche Konter in der 85. Minute samt sogenanntem Ehrentreffer zum 1:3 durch Niclas Füllkrug kam zu spät.
Flick hatte die Schicht seiner Mannschaft da inoffiziell schon für beendet erklärt und alle fünf erlaubten Wechsel vollzogen. Dass die Bayern auch in dieser so überlegen geführten Partie nicht ohne Gegentor blieben, ärgerte Torwart Manuel Neuer besonders: Er hatte gegen den frei auf ihn zulaufenden Milot Rashica noch stark pariert, für den Nachschuss von Füllkrug hätte er aber Hilfe seiner Abwehr gebraucht, die jedoch noch nicht am Ort des Geschehens war.
Die Saison ist noch lang, sie tritt nun in die Phase ein, in der vor allem Regeneration zählt nach einer extrem kurzen Winterpause und einer Sommerpause, die für Mannschaften im Europacup wie die Bayern keine echte war. Schwer erkämpfte Siege tun da doppelt weh, leicht herausgespielte wie die in Bremen schonen Ressourcen. Der Stress lag an diesem Samstag allein auf Seiten der Bremer: "Auslaufen, zwei Tage frei", gab Trainer Kohfeldt seinen Fußballern noch auf dem Rasen mit nach Hause, seine Worte waren auch übers Brummen der Generatoren hinweg deutlich zu hören.
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