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Sicherheit auf der Schiene: Alles eine Frage der Technik? - BR24

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und die Fraktion der ÖDP im Münchener Stadtrat riefen die Bahn dazu auf, den zweigleisigen Ausbau aller Strecken der Münchner S-Bahn zumindest zu prüfen. Doch sind eingleisige Strecken wirklich gefährlicher als zweigleisige?

Eingleisige Strecken nicht generell unfallgefährdeter

Prof. Jörn Pachl von der Technischen Universität Braunschweig sagt: "Natürlich ist auf der zweigleisigen Strecke das Gegenfahrproblem weniger relevant." Dafür seien zweigleisige Streckenabschnitte üblicherweise stärker befahren. "Wir haben eine höhere Zugdichte und damit treten andere Risiken in den Vordergrund." Schaue man sich die Statistiken an, dann könne man nicht sagen, dass auf eingleisigen Strecken generell mehr passiert als auf zweigleisigen, so der Leiter des Instituts für für Eisenbahnwesen und Verkehrssicherung.

Auch der Fahrgastverband Pro Bahn sieht kein generelles Sicherheitsrisiko. Andreas Barth von Pro Bahn sagte dem BR: "Die Eisenbahn ist ein sehr sicheres Verkehrsmittel – das gilt auch für eingleisige Strecken." Er betont: Auch auf zweigleisigen Strecken sind die Fahrtrichtungen der Züge nicht völlig voneinander getrennt, in Überholsituationen etwa wechseln Züge die Gleise. Der grundsätzliche Vorteil einer doppelgleisigen Strecke liegt in der erhöhten Kapazität. Ein zweigleisiger Ausbau ist nicht für jede Strecke sinnvoll – etwa wegen geringer Auslastung oder den topografischen Bedingungen.

Im gesamten Jahr 2020 kamen laut Statistischem Bundesamt zwei Fahrgäste im Eisenbahnverkehr ums Leben. Laut Berechnungen der Allianz pro Schiene ist das Todesrisiko für Insassen eines Pkw 56-mal höher als für Bahnreisende.

Signalsystem zeigte Einfahrverbot in Richtung München

Hat es in Schäftlarn also an den Leit- und Sicherheitssystemen gelegen? Wie bereits gesagt, hätte dem Signalsystem nach kein Zug in Richtung München fahren dürfen. Am Anfang und Ende eines jeden Streckenabschnittes gibt es Signale, die die Fahrt auf diesem Teilstück regeln. Auf eingleisigen Abschnitten verhindert die Technik automatisch, dass die Signale an beiden Enden freie Einfahrt anzeigen können.

"Das heißt auf der ganzen Strecke zwischen den beiden Bahnhöfen wird eine Fahrtrichtung eingestellt und man kann keine Signale auf Fahrt stellen, die gegen diese Fahrtrichtung weisen", sagt Fachmann Jörn Pachl. Die Fahrtrichtung für den ganzen eingleisigen Streckenteil könne natürlich umgeschaltet werden, aber "das ist technisch nur möglich, wenn die gesamte Strecke frei ist." Die Technik sei sehr sicher: "Mir ist kein Fall bekannt, dass der Streckenblock durch Signale mal versagt hätte."

Fast überall in Bayern noch punktförmige Zugbeeinflussung

Es gibt eine weitere Ebene, ein zusätzliches Sicherheitssystem, das sozusagen sicherstellt, dass die Züge den Signalen entsprechend fahren. In Deutschland ist flächendeckend eine sogenannte punktförmige Zugbeeinflussung (PZB) im Einsatz – auf der betroffenen Strecke bei Schäftlarn ebenfalls, wie eine Bahnsprecherin dem BR bestätigt. Dabei übermitteln Transponder, die in regelmäßigen Abständen im Gleis verbaut sind, die aktuell gültige Signal-Informationen an den Zug. Nähert sich dann etwa ein Zug einem auf Halt stehende Signal ohne zu bremsen, wird eine Zwangsbremsung ausgelöst – der Zug bleibt stehen, ohne dass der Triebwagenführer eingreifen muss.

Ob dieses System in Schäftlarn gegriffen hat, dafür gab es von Polizei und Staatsanwaltschaft bisher noch keine Antwort. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann stellte im Gespräch mit dem BR die Frage, ob die derzeit verwendete Technik auf den S-Bahnstrecken noch ausreiche. Auf Fernverkehrsstrecken würde schon längst eine andere Generation der Streckenüberwachung eingesetzt, die noch einmal andere Möglichkeiten der Qualitätssicherung ermögliche, sagt Herrmann.

Fortschrittliche Sicherheitssysteme nur auf wenigen Strecken

So gibt es in Bayern auf einigen Stecken die sogenannte linienförmige Zugbeeinflussung (LZB). Hier wird nicht mehr an einzelnen Punkten die Signalinformation mit dem Zugverhalten verglichen, sondern der Zug erhält kontinuierlich über in der Strecke verbaute Kabelschleifen die Vorgabe, ob und wie er im jeweiligen Streckenabschnitt fahren kann. Weicht das Zugverhalten von dieser Kontrolle ab, kann das System jederzeit, etwa durch eine Zwangsbremsung, reagieren. Daneben ist auf wenigen Strecken das sogenannte ETCS (European Train Control System) im Einsatz. Dieses soll in Zukunft flächendeckend in ganz Europa eingeführt werden und einen gemeinsamen Standard für Zugkontrolle schaffen.

Jörn Pachl erklärt, warum die neueren Systeme (LZB, ETCS) sicherer sind: Der Zug kann permanent gestoppt werden und das Personal ist nicht mehr auf Signale an einzelnen Stellen angewiesen – es erhält dauerhaft über eine Anzeige die Information, wie gefahren werden kann. Das sei ein großer, Fehler reduzierender Faktor, so Pachl. Gesetzlich vorgeschrieben sei die Linienförmige Zugbeeinflussung für Strecken mit Hochgeschwindigkeitszügen ab 160 Kilometer pro Stunde - die Einrichtung auf anderen Strecken sei in der Vergangenheit vor allem aus Kostengründen nicht passiert. Aktuell sind diese modernen Sicherheitssysteme auf nur wenigen Routen in Bayern im Einsatz:

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