Einmal, es war die 26. Minute, da hörte man Marco Rose deutlich über die Außenmikrofone. »Bravo, Jungs«, rief der Coach von Borussia Mönchengladbach und noch einmal: »Bravo, Jungs.« Der gegnerische Torwart hatte kurz zuvor den Ball ins Seitenaus geschossen, zwei Gladbacher waren den City-Keeper früh angelaufen und damit hatten sie bei Edersons missglücktem Pass etwas nachgeholfen. Rose gefiel diese Szene.
Sie war allerdings auch eine der ganz wenigen Aktionen, in denen Gladbach am Strafraum von Manchester City auftauchte.
Der Bundesligst musste sich an diesem Abend im Achtelfinalhinspiel der Champions League eher an den kleineren Dingen erfreuen. An einem Fehlpass von Ederson, an einem einzigen wirklich gefährlichen Schuss auf das Tor, den Hannes Wolf in der dritten Minute der Nachspielzeit abgab. Citys Trainer Pep Guardiola sagte zwar später, Gladbach sei immer in der Lage, einen Treffer zu erzielen, aber das klang nach den 90 Minuten dann doch etwas übertrieben. Gladbach spielte nicht schlecht, bloß der Gegner war an diesem Abend eine Nummer zu groß.
Spiele gegen Manchester City gehören derzeit zu den härtesten Prüfungen, und wie hart diese ist, das bekam nun auch die Borussia beim 0:2 (0:1) zu spüren. »Wir sind sehr viel hinterhergelaufen«, sagte Gladbachs Florian Neuhaus später im TV-Stream bei Dazn, das Fazit von Citys Bernardo Silva lautete: »Wir haben das Tempo kontrolliert.«
Die eine Mannschaft hat sich nach Kräften gewehrt, die andere hat die Partie dominiert. Die eine Mannschaft hat zuletzt in der Bundesliga gegen Mainz 05 und den 1. FC Köln verloren, die andere überrollt derzeit ihre Gegner und ist im Moment vielleicht das Topteam in Europa.
Citys Erfolg gegen den Bundesligisten war der 19. Pflichtspielsieg in Serie, seit 26 Partien ist die Mannschaft von Guardiola ungeschlagen, nur sieben Gegentreffer musste sie in dieser Zeit hinnehmen. In der englischen Liga hat der Tabellenführer zehn Punkte Vorsprung. Das Rückspiel gegen Gladbach steht zwar noch aus (16. März), aber die Chancen stehen gut, dass City weiterkommt und es auch in der Königsklasse weit bringt.
Wie gut dieses Manchester City ist, das wurde allein an den beiden Treffern deutlich. Beide waren nach Flanken aus dem Halbfeld entstanden. Das Kopfballtor zum 1:0 durch den kleinsten Mann auf dem Feld, Bernardo Silva, er misst 1,73 Meter, hatte der allgegenwärtige João Cancelo mit einer perfekten Flanke vorbereitet. Auch beim 2:0 durch Gabriel Jesus war eine Flanke von Cancelo mitentscheidend.
Neuhaus und Lars Stindl sagten nach dem Spiel, dass sie dieses Muster noch besprochen hatten und auf die Flanken vorbereitet gewesen waren. Dass City trotzdem gleich zweimal so zuschlagen konnte, verdeutlicht auch den Qualitätsunterschied beider Teams. »Über 90 Minuten kannst du manchmal nicht alles verteidigen«, sagte Neuhaus.
Für Gladbach war dieses Duell das erste K.-o.-Rundenspiel im wichtigsten europäischen Klubwettbewerb seit 43 Jahren. Man kann sich gut vorstellen, was am Niederrhein dieser Tage los gewesen wäre ohne Pandemie – stattdessen fand das Gladbacher Heimspiel vor leeren Rängen im mittlerweile als Corona-Ausweichort etablierten Budapest statt.
Dazu kam der Ärger um Trainer Rose, der die Borussia im Sommer Richtung Dortmund verlassen wird. Sein Wechsel wurde in der vergangenen Woche bekannt, und anschließend hieß es, der scheidende Trainer und Mannschaft hätten sich deswegen mächtig gezofft. »Es ärgert einen extrem, wenn solche Lügen verbreitet werden. Ohne, dass davon eine einzige Zeile stimmt«, sagte nun aber Jonas Hofmann im Podcast »kicker meets Dazn«.
Das Duell gegen City bot jedenfalls keinen Anlass, an Hofmanns Aussagen zu zweifeln. Gladbach machte es dem Gegner so schwer es ging, es gab kaum echte Torchancen, nur reichen auf diesem Niveau manchmal schon kleinste Aussetzer, Sekunden vor dem 0:1 hatte sich Christoph Kramer einen Fehlpass im Spielaufbau geleistet. City bestrafte das sofort. Am Ende war die Niederlage weder Genickbruch noch Befreiungsschlag für die zuletzt kriselnde Borussia.
Der Maßstab für Borussia Mönchengladbach ist aber auch nicht Manchester City. Die Borussia befindet sich an guten Tagen eher mit RB Leipzig oder Borussia Dortmund auf Augenhöhe, gegen beide Teams hat Gladbach in dieser Saison bereits gewonnen – und sie sind die nächsten Gegner. Am Samstag wartet Leipzig in der Bundesliga, danach trifft Rose auf seinen künftigen Arbeitgeber im DFB-Pokal-Viertelfinale. In diesen Spielen entscheidet sich, ob diese Saison noch eine erfolgreiche Spielzeit werden kann.
Aktuell sieht es eher nicht danach aus. Gladbach hat aus fünf Rückrundenspielen fünf Punkte geholt, ist abgerutscht auf Platz acht. Das hängt auch mit der Schwächephase der Stürmer zusammen.
In der Vorsaison hatten Alassane Pléa, Marcus Thuram und Breel Embolo noch zusammen 28 Bundesliga-Treffer für die Borussia erzielt, in dieser Spielzeit sind es erst neun. Alle drei hatten zuletzt mit eigenen Problemen zu kämpfen: Pléa infizierte sich im November mit dem Coronavirus, Thuram war nach einer Spuckattacke wochenlang gesperrt und Embolo soll Ende Januar gegen Corona-Regeln verstoßen haben, er musste vorübergehend in Isolation. Ihre Tore benötigt Gladbach aber, um die internationalen Plätze in der Bundesliga noch anzugreifen.
Gegen City durfte Thuram ab der 63. Minute mitspielen. Trainer Rose versuchte mit ihm, den Druck zu erhöhen, aber nur zwei Minuten später hatten die Engländer ihre Führung ausgebaut. Thuram konnte nichts für das 0:2, aber so ein Gegentor kurz nach der Einwechslung stärkt auch nicht das Selbstvertrauen.
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