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Deutsche U21-Nationalmannschaft blamiert sich bei der EM: DFB kündigt tiefgreifende Veränderungen an - Eurosport DE

Seit 45 Jahren werden U21-Europameisterschaften ausgetragen. Deutschland gewann dreimal den Titel, zum Turnier nach Georgien war die DFB-Auswahl als Titelverteidiger angereist. Bei jeder Teilnahme holte die deutsche Mannschaft mindestens einen Sieg - bis 2023.

In der Gruppe mit Mitfavorit England und den Marktwert-Schlusslichtern Israel und Tschechien holte das Team von Trainer Antonio di Salvo nur einen Punkt und schied als Gruppenletzter aus. Während Deutschland in den ersten beiden Spielen noch am eigenen Unvermögen scheiterte (gegen Israel wurden gleich zwei Elfmeter verschossen), zeigte die Mannschaft beim 0:2 gegen England eine desaströse Leistung.

Der Zweiklassenunterschied zu den Engländern wurde auch beim DFB mit Besorgnis registriert. "Wenn du einen gewissen Anspruch hast, musst du anders auftreten", kritisierte Joti Chatzialexiou, Sportlicher Leiter der Nationalmannschaften.

U21-EM

Fans kritisieren DFB scharf "Es fehlt die Qualität"

VOR EINEM TAG

Andere Nationen seien Deutschland im Juniorenbereich mittlerweile "weit voraus". "Spieltempo und Eins-gegen-eins: Das sind genau die Themen, die wir schon seit längerem predigen und anprangern. Es liegt sehr viel Arbeit vor uns, um den Anschluss an die Weltspitze nicht zu verpassen", sagte der 47-Jährige.

Joti Chatzialexiou: "Wir sind viel zu langsam"

Künftiges Vorbild müssten Frankreich, Spanien oder Portugal sein, wo in der Jugend weniger die Ergebnisse als viel mehr die Entwicklung der Spieler im Vordergrund stünden, so Chatzialexiou. Die Umsetzung dauere aber in Deutschland "viel zu lange. Wir sind viel zu langsam".

Eine bemerkenswerte Selbstkritik und eine schonungslose Analyse des Ist-Zustands. Der deutsche Fußball hat in den vergangenen Jahren wichtige Entwicklungen in der Ausbildung verschlafen.

Chatzialexiou nahm daher vor allem die Trainer im Jugendbereich, aber auch die Sportdirektoren, Nachwuchsleiter und Sport-Geschäftsführer in der Pflicht. "Diesen Paradigmen-Wechsel müssen wir in Deutschland in den nächsten Jahren hinbekommen. Das muss in die Köpfe vieler, die in unserem Sport tätig sind", sagte er.

Auch DFB-Vizepräsident Ronny Zimmermann kündigte an, "an einigen essentiellen Punkten Korrekturen" anzubringen. "Die ganzen Leistungszentren werden ihre Inhalte verändern müssen", so Zimmermann.

Harvey Elliott (r.) erzielte das 2:0 gegen Deutschland

Fotocredit: Getty Images

Einsatzzeiten im Verein: Deutsche U21 hinkt klar hinterher

Bei genauerer Betrachtung der EM-Kader der Topnationen hätten die Alarmglocken beim DFB schon vor Beginn des EM-Turniers schrillen müssen. Die deutschen Spieler kommen in der Summe auf ca. 3.000 Bundesliga-Minuten in der Saison 2022/23. Bis auf Youssoufa Moukoko, der wegen einer Muskelverletzung gegen Tschechien und England nicht zum Einsatz kam, steht niemand bei einem Topklub unter Vertrag.

Ein Vergleich mit den Engländern macht das ganze Dilemma deutlich. Die Jungs von Lee Carsley vereinen ca. 6.000 Premier-League-Minuten in der abgelaufenen Spielzeit und eine Vielzahl an Einsätzen in den europäischen Klubwettbewerben Champions League, Europa League und Conference League. Das geht als Spieler von Schalke 04 (Henning Matriciani und Tom Krauß), Hertha BSC (Marton Dardai und Jessic Ngankam), Hoffenheim (Angelo Stiller und Finn Ole Becker) oder Aarhus GF (Yann Aurel Bisseck) halt nicht.

Harvey Elliott absolvierte 46 Pflichtspiele für den FC Liverpool, Anthony Gordon war mit 32 Einsätzen in der Premier League maßgeblich am Aufschwung von Newcastle United beteiligt und Cole Palmer kommt immerhin auf 25 Spiele bei Triple-Sieger Manchester City.

"Wenn man die Einsatzzeiten der Engländer unseren gegenüberstellt, kommt es nicht von ungefähr, dass sie deutlich selbstsicherer aufgetreten sind. Sie hatten eine ganz andere Ballsicherheit und ein ganz anderes Spieltempo. Das sind keine Zufälle", sagte Chatzialexiou.

Falsche Belastungssteuerung, verweichlichte Spieler

Im Vergleich zu den Franzosen und Spaniern sieht es ähnlich aus. Amine Adli (Bayer Leverkusen) und Mohamed Simakan (RB Leipzig) haben zu zweit mehr Bundesliga-Minuten absolviert als der gesamte deutsche Kader. Gabri Veiga (Celta Vigo) und Oihan Sancet (Athletic Bilbao) knacken gemeinsam die 5.000-Minuten-Marke in La Liga.

Chatzialexiou, der früher selbst Trainer in einem DFB-Leistungszentrum war, gab zu, "unsere Spieler zu weich erzogen zu haben. Es ist bei uns viel die Rede von Belastungssteuerung, in Deutschland wird immer gewarnt, die Spieler nicht zu verheizen. Wir benötigen aber eine andere Härte, wir müssen die Belastungssteuerung nicht nach unten, sondern nach oben korrigieren."

Hier müssen Verband und Vereine Hand in Hand arbeiten. Denn auch auf Klubebene gab es in den letzten Jahren - mit Ausnahme von Europa-League-Sieger Eintracht Frankfurt - vermehrt Misserfolge zu verzeichnen. Seit dem Titelgewinn des FC Bayern 2020 schaffte es keine deutsche Mannschaft mehr ins Halbfinale der Champions League.

Das von Chatzialexiou angesprochene Thema "Verweichlichung" hatte Matthias Sammer bereits im März angemahnt. Nach dem 0:7 von RB Leipzig gegen Manchester City im Achtelfinale der Königsklasse sagte Sammer bei "Amazon Prime": "Bei City sind hier alle im Vollsprint zum Warmmachen gekommen. Das habe ich so noch nie gesehen. Diese Physis, dieses Tempo, diese Zweikampfführung - das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht."

Jamal Musiala, Florian Wirtz - es geht auch anders

Im englischen U-21-Kader sind auch Spieler dabei, die in Englands Championship 46 Saisonspiele absolvieren müssen und anschließend noch etwaige Partien in den Playoffs. "Das ist ein Stahlbad, da musst du körperlich enorm viel draufhaben, sonst fressen dich die Gegenspieler auf", sagte "SAT.1"-EM-Experte Markus Babbel.

Dass im Nachwuchsbereich des deutschen Fußballs nicht alles schlecht läuft, zeigen die Beispiele Jamal Musiala und Florian Wirtz. Und Anfang Juni wurde Deutschland U-17-Europameister durch einen Finalsieg gegen Frankreich - einem der großen Vorbilder des DFB.

Noch ist das Kind nicht in den Brunnen gefallen, aber es bedarf einer enormen Anstrengung im gesamten deutschen Fußball, um in absehbarer Zeit Nationen wie England wieder auf Augenhöhe begegnen zu können.

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